Freitag, 28. August 2015

Die Planung: Ein Beitrag von Hermann Rieker

Nachdem wir uns dieser Tage mit dem Thema "Planung" versus "Erfindung, Entwicklung" auseinandergesetzt haben, schreibt uns einer der eifrigsten Bildertanz-Beobachter u.a. folgende Zeilen mit der Erlaubnis, sie hier zu veröffentlichen. Das tun wir sehr gerne, wobei wir darauf hinweisen, dass wir überhaupt nicht der Meinung sind, dass die Planung tatsächlich der Entwicklung vorauseilen solle - im Gegenteil. "Anmaßung von Wissen" nannte dies einmal der Nobelpreisträger Friedrich von Hajek, der allerdings nicht nur deswegen in bestimmten Kreisen als "neoliberal" verschrieen ist. Aber das ist eine ganz andere Diskussion. Hier nun der Beitrag von Hermann Rieker, einem waschechten Reutlinger:

»... Nun etwas zur Planung. Es ist gut, dass Sie das Problem aufgreifen. Ich für meinen Teil präferiere aber eher eine Verwaltung, die "reagierend"  auf Veränderungen und Anforderungen planerisch tätig wird, denn eine Verwaltung, die "agierend" also Planungen und Weichenstellungen auf vermutete Veränderungen hin (insbesondere von Think-tanks oder von Fachexperten prognostizierte Entwicklungen) entsprechende Aktivitäten  entfaltet. Das ging und geht in den allermeisten Fällen schief zu Lasten der Steuerzahler. Konkret: eine Planung, die der Entwicklung vorauseilt, ist sehr risikobehaftet, weil sie auf Annahmen und nur zum geringen Teil auf Fakten beruht.

Sieht ziemlich geplant aus: Obere Wässere...
Sehr interessant sind Ihre Ausführungen - so verstehe ich es zumindest - was den Strukturwandel angeht. Der war in der Stärke und der Konsequenz nicht vorhersehbar. Es war die Stärke der D-Mark, die der Textilindustrie das Leben schwer machte. Hinzu kam, dass in den 70er Jahren die Lohnkosten kräftig in die Höhe gingen. Viele Unternehmen mussten davor kapitulieren. Es war im Endeffekt billiger in Ländern mit niedrigerem Lohnniveau produzieren zu lassen und Fertiggüter einzuführen. Die Aufwertungen haben die Kostensteigerungen noch verstärkt. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Steuereinnahmen waren für Reutlingen noch moderat.
Wartet noch darauf, dass sich die Planung erfüllt: Parkplatz in der Oberen Wässere
In den letzten 15 - 20 Jahren hat sich ein weiterer struktureller Wandel ereignet, der insbesondere von Forschungseinrichtungen und Hochschulen getragen wurde. Gentechnik, Mikroelektronik, die Grundlagenforschung in diesen Bereichen hat letztlich Schritt für Schritt die "Produktionsreife" und "Marktreife" erreicht, d. h. sie konnten nun zu erschwinglichen Preisen auf den Markt dringen . Seien es Technologiefabriken (wo gab es die in Reutlingen?), start-ups (wo gab es die in Reutlingen) die Pioniere für die Umsetzung ihrer Ideen benötigten, hatten in Reutlingen keine Lobby, obwohl es doch einige Lehrstände ehemaliger Firmen gab. Ein solches Mikroklima, also ein spill-over, das gab es in Tübingen, diese Stadt profitiert ganz enorm. Das kann man an der Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens ganz gut erkennen. In Reutlingen herrschte seit Jahrzehnten eine große Behäbigkeit, es gab Wachstum, Arbeitsplätze und sprudelnde Steuerquellen. Dadurch, dass Reutlingen den Strukturwandel verschlafen hat, keine Entwicklungsmöglichkeiten z.B.  für Hochschulabsolventen im naturwissenschaftlichen Bereichen angeboten hat, ist die Stadt gegenüber Tübingen zurückgefallen. Ich kann auch nicht erkennen, dass das in der Reutlinger Verwaltung angekommen ist. Warum auch, es gibt doch die Auskreisung, man plant immer noch mit der Abrissbirne der Stadt ein modernes Gesicht zu geben. Man baut zwar für die Tonne, aber was geschieht für die urbane Qualität?«
Hermann Rieker
Alles geplant? Auf jeden Fall frisch gepflastert und bepflanzt - der Nikolaiplatz
  
Einst war es Friedrich List, der eine Niederlegung der Stadtbefestigung forderte - einiges wurde gerettet und durch Neubauten umplant.


Bildertanz-Quelle:RV (Fotos und Bildtexte)

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