Mittwoch, 25. Februar 2015

Kleine Geschichte des Tübinger Tores (4)




Der Wächter auf dem Turme

Bis zum 2. Weltkrieg war das Tübinger Tor von Wächtern und deren Familien besetzt. Jahrhundertelang hatten sie die Stadt behütet und bewacht. Zuerst dienten sie dazu, das Vorgelände im Blick zu behalten und vor dem Anrücken kriegerischer Truppen zu warnen. Später war ihr Blick mehr nach innen gerichtet - aus feuerpolizeilichen Gründen. Und natürlich sollten sie der Bevölkerung mitteilen, welche Stunde geschlagen hat. Die Bürger wussten dann nicht nur, wie spät es ist, sondern hatten auch die Gewissheit, dass der Posten besetzt war.
Mächtige Konkurrenz hatten die Torwächtern in den Hütern der Marienkirche. Deren Hochwächter wohnten nicht im Turm, sondern in der Stadt. Jeweils zwölf Stunden Dienst hatten die drei Wächter, die auf einer Stechuhr anzeigen mussten, dass sie treu und brav ihre Runden drehten. Das Läutwerk, das jeder Viertelstunde ausgelöst wurde, mussten sie nicht betätigen. Dafür sorgte ein automatisches Uhrwerk.
Konkurrenz zu den Wächtern des Tübinger Tors waren sie insofern, weil beide Gruppen darum wetteiferten, wer als erster einen Brand meldete. Denn dafür bekamen sie dann eine Sondervergütung. Der Lohn war alles andere als üppig, so dass Besucher stets sehr willkommen waren - vor allem dann, wenn sie neben dem Lob für die schöne Aussicht auch noch ein Trinkgeld hinterließen. Dass dies erwartet wurde, darauf wies ein Plakat hin: "Wer diese Höhe will ermessen, Darf den Hochwächter nicht vergessen."(Text: RV)

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